Redaktion
The week
from 24. until 30. September 2020
Argentinien
Polizei im Streik

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Drastische Maßnahmen zählten zum Repertoire dieses Arbeitskampfes. Polizisten der Provinz Buenos Aires belagerten den Sitz von Gouverneur Axel Kicillof. Sie wollten damit der Forderung Nachdruck verleihen, dass etwas gegen das Einkommensgefälle zu Beamten in der Hauptstadt getan werden müsse, und errangen zumindest einen Teilerfolg. Bei ihren Gehältern sollen von der Inflation ausgelöste Wertverluste ausgeglichen werden. Die öffentlichen Haushalte des Landes hängen von einem Staat ab, dem permanent die Pleite winkt. Entlastung verheißt das im August geschlossene Umschuldungsabkommen, mit dem die Gläubiger auf 65 Milliarden Dollar ihrer Forderungen verzichten. Lutz Herden
Palästina
Endlich wieder wählen

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Die palästinensischen Parteien Fatah und Hamas haben sich darauf geeinigt, innerhalb von sechs Monaten Parlaments- und Präsidentenwahlen abzuhalten. Seit fast 15 Jahren wurde in Palästina nicht mehr gewählt, was dazu geführt hat, dass das Parlament eingemottet werden musste, während die Fatah im Westjordanland und die Hamas im Gazastreifen uneingeschränkt weiterregierten wie Präsident Mahmud Abbas. Die Ankündigung, der ein Annäherungsprozess zwischen den rivalisierenden Parteien voranging, ist kein Ausdruck von Stärke, sondern eher eine Reaktion auf die Friedensverträge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain. Pepe Egger
Michael Gwisdek
Lakonisch und bittersüß

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Wie gut ein Schauspieler wirklich ist, lässt sich am besten daran bemessen, wie lebendig die Erinnerung an eine seiner Rollen bleibt. So gesehen war Michael Gwisdek einer der besten. Aus einem Film wie Oh Boy (2012), der sowieso mehr eine Aneinanderreihung von Miniaturen als eine durchgehende Erzählung war, ragte seine Miniatur des „alten Mannes“ so weit heraus, dass sie heute stellvertretend für den ganzen Film steht, für seine bittersüße Lakonie und Lebensweisheit. Gwisdek, wie er an der Bar sitzt und mit atemberaubendem Nuancenreichtum von früher erzählt – man wird Szenen wie diese sehr vermissen. Am 22. September verstarb Gwisdek mit 78 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Barbara Schweizerhof
Philipp Rösler
Freiheit für Cannabis

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Was macht eigentlich Philipp Rösler? In Erinnerung von den Amtszeiten des FDP-Politikers als Bundesminister und Vizekanzler blieb nur der Begriff der „Anschlussverwendung“, die er nach der Pleite des Schlecker-Konzerns den Beschäftigten in Aussicht stellte. Rösler selbst war nach seinem 2013 erfolgten Ausstieg aus der Politik unter anderem Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums. Nun gehört er auch dem Verwaltungsrat des Schweizer Cannabis-Unternehmens Pure Holding an. Dort spricht man nicht über Arbeitskräfte wie über Dinge, sondern über Dinge wie über Arbeitskräfte: Nach eigenen Angaben will man „das volle Potenzial der Cannabis-Pflanzen zur Geltung bringen“. Christian Baron
Polen
Eklat im Sejm

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Zum Affront kommt es im Sejm beim Votum über das neue Tierschutzgesetz. Die 20 Abgeordneten der Kleinpartei Solidarisches Polen (SP) von Justizminister Ziobro stimmen dagegen, verletzen den Koalitionsfrieden und brüskieren den Regierungspartner PiS. Dessen Mehrheit ist von der SP ebenso abhängig wie von der Gruppierung Verständigung mit 17 Parlamentariern. Der Eklat offenbart den sich zuspitzenden Streit um die Nachfolge von Jarosław Kaczyński als ideologischer Leitfigur der polnischen Rechtskonservativen. Neben Premier Morawiecki (PiS) meldet Minister Ziobro Anspruch an – er habe die umstrittene Justizreform entscheidend vorangetrieben. Lutz Herden