Redaktion
The week
from 17. until 23. September 2020
Rossana Rossanda ist tot
Was bleibt, ist ihr Werk

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Erstaunlich, wie viele Menschen erst mit der Nachricht ihres Todes am 20. September zum ersten Mal von Rossana Rossanda gehört haben. Dabei ist sie eine der bedeutendsten westlichen Kommunistinnen des 20. Jahrhunderts. Politisiert im Widerstand gegen den Faschismus, prägte die 1924 geborene Italienerin spätestens ab den 60er Jahren die intellektuellen Debatten. Über alle politischen Gräben hinweg hat sie ein Werk geschaffen, das bleiben wird. Es reicht von der Kritik revolutionärer Erfahrungen (Über die Dialektik von Kontinuität und Bruch) über marxistischen Feminismus (Einmischung) bis zu ihrer 2007 auf Deutsch erschienenen Autobiografie Die Tochter des 20. Jahrhunderts. Christian Baron
Kolumbien
Schuld und Reue der FARC

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Es sei ein schwerer Fehler gewesen, während des Bürgerkrieges Menschen zu entführen, haben einstige Führer der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) eingestanden. Die linke Guerilla hatte zwischen 1964 und 2016 den bewaffneten Kampf gegen Staat und Nationalarmee geführt, um einen revolutionären Umsturz zu erzwingen. Seither hat ein Friedensvertrag mit der Regierung ihre weitgehende Demobilisierung bewirkt. Die jüngste Erklärung haben laut amerika21.de die Ex-Kommandanten Rodrigo „Timochenko“, Pablo Catatumbo, Pastor Alape und Jaime Alberto Parra abgegeben. Sie könnten sich gut vorstellen, was die Familien der Verschwundenen verkraften mussten. Lutz Herden
Frankreich
Abwarten in der Krise

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Trotz der derzeit mehr als 10.000 Neuinfektionen pro Tag hat Premierminister Castex verschärfte Maßnahmen abgelehnt. Er verweist auf die Verantwortung jedes Einzelnen und die Befugnisse lokaler Behörden. Diese sollten auch über mögliche lokale Ausgangssperren befinden, Paris halte sich zurück – kein Zentralismus. Die Reaktionen auf diesen Rückzug sind wenig schmeichelhaft. Zeitungen sprechen von einem Basar, auf dem sich jeder aussuchen könne, was ihm zusage. Vor einem halben Jahr habe Präsident Macron den Slogan „Krieg gegen das Virus“ bemüht. Epidemiologen warnen vor einer Katastrophe, in die man ohne strengere Auflagen sehenden Auges geraten werde. Lutz Herden
„Schulgipfel“
Wer hat, dem wird gegeben

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Wer die Bildungsungerechtigkeit für einen unerwünschten Nebeneffekt eigentlich wohlmeinender Politik begreift, darf sich nun noch einmal widerlegen lassen. Die Corona-Krise hat die systematische Benachteiligung von Kindern aus armen Elternhäusern längst sichtbar gemacht. Da fehlt es im „Home-Schooling“ an ruhigen Arbeitsplätzen, vor allem aber am Materiellen: Laptops und Drucker sind Mangelware bei den Armen. Weil der „Schulgipfel“ im Kanzleramt jetzt beschlossen hat, den meist nicht gerade am Hungertuch nagenden 800.000 Lehrerinnen und Lehrern schnell Dienst-Laptops zu finanzieren, hat die herrschende Politik wieder einmal bestätigt, wo ihre Prioritäten liegen. Christian Baron
Enteignung in Berlin
Volksbegehren möglich

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Nirgendwo im Grundgesetz steht, dass die Bundesrepublik kapitalistisch sein muss. Auch Vergesellschaftungen sind erlaubt. Deshalb verwundert es nicht, dass die Berliner Senatsinnenverwaltung das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mit 77.000 gesammelten Unterschriften jetzt für zulässig befunden hat. Die Initiative wünscht sich keine Verstaatlichung, sondern die Überführung des Immobilienbestands in eine Anstalt öffentlichen Rechts. 2021 wollen die Initiatoren mit der Sammlung von Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren starten. Ziel ist eine Volksabstimmung im Herbst 2021, wenn auch die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen stattfinden. Christian Baron