Redaktion
The week
from 9. until 15. July 2020
Corona-Folgen
Tönnies bettelt beim Staat

Foto: Imago Images
Bescheidenheit liegt Clemens Tönnies nicht. Wer zahlt den Lohn, wenn die Arbeiter in Quarantäne sind und das Werk stillsteht? Der Staat – so die Antwort von Tönnies. Der Konzern und Subunternehmer haben Anträge auf Lohnkostenerstattung gestellt. Mindestens 1.400 Tönnies-Beschäftigte haben sich mit Corona infiziert, nach Strafanzeigen wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz ermittelt. Aber wer unter Quarantäne gestellt wird, dem steht nach dem Infektionsschutzgesetz eine Entschädigung zu. Tönnies macht sein Ding und führt dabei den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit vor Augen. Martina Mescher
Irak
Nächtliches Attentat

Foto: Getty Images
Die Täter machten es sich zunutze, dass in Bagdad wegen der Corona-Pandemie eine nächtliche Ausgangssperre herrscht. Ihr Attentat auf den Terrorexperten Hisham al-Hashemi blieb ohne Zeugen, wurde aber durch eine Überwachungskamera festgehalten. Die Aufzeichnung zeigt, dass zwei Männer von einem Moped her auf den 47-Jährigen mehrere Schüsse abgaben. Al-Hashemi hatte die irakische Regierung im Kampf gegen Reste des Islamischen Staates wie schiitische Verbände beraten. Was er stets kritisiert hatte, das war die Straflosigkeit, mit der die Milizionäre rechnen konnten. Premier al-Kadhimi erklärte, nicht zulassen zu wollen, dass dieser politische Mord ungesühnt bleibe. Lutz Herden
EU/Türkei
Nichts geht mehr

Foto: Imago Images
Dissens auf der ganzen Linie, anders lässt sich das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara derzeit kaum beschreiben. Das müssen auch die EU-Außenminister bei ihrem Treffen zu Wochenbeginn einräumen. Zur Lage im östlichen Mittelmeer, in Libyen, in Syrien, in der irakischen Kurdenregion sowie zur Migration gibt es teils gegensätzliche Positionen. Bestätigt wurden Strafen, die von der EU wegen der als illegal geltenden türkischen Erkundungen von Erdgasfeldern vor Zypern verhängt wurden. Vor allem Athen und Paris drängen auf eine harte Gangart. Im Vorfeld des Meetings hatte der EU-Außenbeauftragte Borrell eine völlig ergebnislose Vermittlung in Ankara durchgestanden. Lutz Herden
Ungleichheit
Reiche fordern Steuern

Foto: Getty Images
Eine Gruppe von 83 Millionär:innen hat einen Aufruf veröffentlicht, Regierungen mögen sie doch bitte endlich höher besteuern. Im Aufruf der US-amerikanischen, britischen, aber auch deutschen Reichen wie dem Millionenerben Antonis Schwarz heißt es, die Corona-Pandemie führe zu wachsender Ungleichheit, steigender Armut und der Notwendigkeit, massiv in die Gesundheitssysteme zu investieren. Das gehe nicht mit Wohltätigkeit, sondern nur, wenn auch die Reichen ihren Möglichkeiten gemäß beitragen, will heißen: besteuert werden, und zwar: „Sofort. Ordentlich. Dauerhaft.“ Millionäre arbeiteten nicht in Krankenhäusern oder Supermärkten, aber eines könnten sie schon: zahlen. Pepe Egger
Urugay
Im Schatten der Pandemie

Foto: Getty Images
Anders als in Brasilien, Ecuador und Bolivien bleibt für Uruguay die Zahl der Covid-19-Infizierten niedrig, gibt es genug Test- und Hospitalkapazität. Doch tut die seit März regierende Rechtskoalition einiges, um im Schatten der Pandemie ihre Reformagenda voranzutreiben. So werden Gesetze kassiert, die unter der linken Frente Amplio zustande kamen. Zwar wurde soeben ein Corona-Fonds beschlossen, um Firmen günstige Kredite zu verschaffen, doch steht zugleich das Gesetz zur finanziellen Inklusion auf der Kippe. Es hat bislang Unternehmen verpflichtet, Gehälter per Banküberweisung zu zahlen, sodass Steuerhinterziehung oder Dumpinglöhne gegebenenfalls aktenkundig waren. Lutz Herden